Kleine und Stille Geburt

Eine Schwangerschaft ist oft eines der schönsten und manchmal sehnlichst erwünschten Erlebnisse einer Frau und eines Paares. Leider erfüllt sich der Wunsch nach einem Kind aber nicht immer mit dem Beginn einer Schwangerschaft. Öfter als man gemeinhin annehmen würde geht eine Schwangerschaft verloren. Aus verschiedenen Quellen lässt sich eine Verlustrate der Schwangerschaften zwischen 15 und 25% beobachten. 

Von Goller Barbara, Hebamme

 
 

Was bedeutet „kleine Geburt“ und „stille Geburt“

Der sehr geläufige Begriff „kleine Geburt“ beschreibt jenes Phänomen, das bisher als „Fehlgeburt“ bezeichnet wurde und im medizinischen Jargon als „Abort“ beschrieben wird. Da bei diesem Geschehen jedoch eine Mutter ihr Kind verliert ist hier endlich die volle gesellschaftliche und sprachliche Anerkennung des Ereignisses angebracht und deshalb sollte die sprachliche Beschreibung das tatsächliche Geschehen widerspiegeln.

Laut italienischer Gesetzgebung wird von einer „kleinen Geburt“ innerhalb der ersten 180 Tage einer Schwangerschaft gesprochen, das entspricht 25+5 Schwangerschaftswochen. Gibt das Kind allerdings nach der Geburt Lebenszeichen, das heißt z.B. es zeigt Atembewegungen, dann gilt es als „Lebendgeburt“ und wird vom anwesenden Fachpersonal wiederbelebt und auf die Frühgeborenen-Intensivstation verlegt. Dies ist etwa ab der 23. Woche und/oder einem Gewicht um die 500 gr möglich. 

Man unterscheidet weiter zwischen frühem und spätem Verlust der Schwangerschaft. Ein früher Verlust findet bis zur 13. Schwangerschaftswoche statt, nach dieser Woche sinkt das Risiko die Schwangerschaft zu verlieren um 65%. Von einem späten Verlust spricht man zwischen 13 und 25+5 Wochen. Wenn ein Kind nach diesem Termin im Bauch der Mutter verstirbt spricht man von einer „stillen Geburt“.

 

Mögliche Ursachen für einen Schwanger-schaftsverlust 

Die häufigste Ursache für einen Schwangerschaftsverlust kann man grundsätzlich in zwei Gruppen unterteilen, man unterscheidet hier zwischen natürlichen Ursachen, also einem spontanen Abgang und einem artifiziellen Abort. 

Der medizinisch eingeleitete (artifizielle) Abort wird den Eltern angeboten, wenn man in einem frühen Stadium der Schwangerschaft eine nicht mit dem Leben vereinbare Erkrankung des Kindes feststellt oder sich das Kind an einem Ort eingenistet hat, an dem sich die Schwangerschaft nicht weiter entwickeln kann, z.B. der Eileiter, die Bauchhöhle oder der Gebärmutterhals. Diese Situation ist für die Mutter lebensbedrohlich und deshalb wird die Schwangerschaft in diesem Fall durch einen chirurgischen Eingriff unterbrochen. 

Der spontane Abort ergibt sich meist aus einem „Fehler“, der bei der hoch komplexen Entwicklung eines ganzen Menschen aus zwei Zellen (Ei- und Samenzelle) passiert. 

Meist bleiben die Ursachen für diese Art von Verlust unbekannt, vor allem wenn die Schwangerschaft sehr früh endet. Eine unbekannte Anzahl von Verlusten bleibt außerdem unentdeckt, da sie so früh passieren, dass die Frauen eine verspätete Regelblutung annehmen.

 

Bekannte Gründe für eine kleine Geburt

  • Die Entwicklung eines ganzen Menschen in seiner Komplexität aus nur zwei Zellen ist eine Meisterleistung der Natur. Wo so viel Entwicklung und Zellteilung passiert ist aber auch die Möglichkeit eines Fehlers sehr groß. Wenn diese Fehler außerdem in einem so frühen Stadium der Entstehung eines Körpers passieren, hat das natürlich immense Folgen für das weitere Wachsen.

    Bei der riesigen Anzahl an Zellteilungen, die hier stattfinden muss kommt es manchmal zu einer ungleichen Aufteilung der Chromosomen (genetischen Materials) und es entsteht ein Embryo mit einem Chromosom zu viel oder zu wenig. Je nachdem um welches Chromosom es sich handelt sind die Folgen mehr oder weniger schwerwiegend. Wenige dieser Veränderungen bilden trotzdem ein lebensfähiges Kind aus (z.B. Trisomie 21 das Down-Syndrom), die meisten Schwangerschaften mit einer solchen Problematik führen zu einem frühen Verlust und stellen den Großteil aller kleinen Geburten dar. Wichtig zu wissen ist, dass diese Art von Fehlern nicht genetisch bedingt oder vererbbar sind, sondern spontan passieren und sie für eine Folgeschwangerschaft keine weitere Bedeutung besitzen.

  • genauso komplex wie die Bildung eines Menschen aus zwei Zellen ist, ist auch die Bildung einer Plazenta und daher ist auch dieser Prozess fehleranfällig. Da die Plazenta für die Versorgung des Babies verantwortlich ist kann eine Schwangerschaft mit fehlerhafter Plazenta nicht lange andauern.

  • Bei der Entwicklung der Schwangerschaft entsteht hier nur die Fruchtblase aber kein Embryo.

  • Manche Grunderkrankungen einer Frau wirken sich auf die Fähigkeit eine Schwangerschaft auszutragen oder begünstigen das Auftreten von Fehlern in der Entstehung des Kindes. In einigen Fällen könnten zum Beispiel ein bestehender Diabetes, verschiedene Stoffwechselerkrankungen oder Schilddrüsenfehlfunktionen genauso wie Fehlbildungen der Gebärmutter oder die Verklebung der Eileiter nach Infektionen eine Schwangerschaft negativ beeinflussen.

    Manchmal tritt eine nicht erklärbare Schwäche des Gebärmutterhalses auf, der dann durch eine Naht versucht wird zu stärken (Cerclage).

  • Ebenso könnte ein Zusammenhang verschiedener äußerer Faktoren wie ein erhöhtes Alter der Mutter, Über- oder Untergewicht, Alkoholkonsum und Nachtarbeit genauso wie virale oder bakterielle Infekte mit frühen Verlusten in Verbindung gebracht werden. Andere Faktoren könnten vorhergehende kleine Geburten, eine künstliche Befruchtung, ein hohes väterliches Alter, ein häufig wechselnder Geschlechtspartner oder starke körperliche Traumata, zum Beispiel durch einen Unfall, sein.

 

Was geschieht bei einer „kleinen Geburt“ 

Das Geschehen bei einem Schwangerschaftsverlust hängt grundlegend von der Schwangerschaftswoche ab, in der er passiert. Bei frühen Verlusten kann ohne jegliche anderen Vorzeichen eine Blutung das einzige Symptom sein, sie kann aber auch von ziehenden Schmerzen im Unterleib oder einem Druckgefühl begleitet sein. Die Blutung ist mehr oder weniger stark und enthält Gewebeteile.

Ein später Verlust nach der 13. Woche verläuft wie eine kleine Schwester der Geburt mit Wehen, die den Muttermund öffnen und das Kind und die Plazenta gebären. Ab diesem Zeitpunkt ist es auch möglich den Abgang von geringen Mengen von Fruchtwasser zu beobachten.

Bei einem artifiziellen Abort, also einem medizinisch indizierten Abbruch wird zu einem frühen Zeitpunkt eine sogenannte Curettage oder Auskratzung in Vollnarkose vorgenommen, wobei man die Fruchthöhle mit einem Instrument aus der Gebärmutter holt. Bei einer Eileiterschwangerschaft kann es notwendig sein den Eileiter teilweise oder ganz zu entfernen. 

Sollte der Abbruch zu einem späteren Zeitpunkt stattfinden wird eine Geburt hormonell eingeleitet. Auch muss die Frau anschließend abstillen und Rhesus negative Frauen erhalten nach einem Abort eine sogenannte Rhesusprophylaxe um keine Antikörper gegen Rhesus positives Blut zu bilden, was für eine nächste Schwangerschaft schwerwiegende Folgen haben würde.

In der Regel wird in Südtiroler Krankenhäusern bis zur 13. Schwangerschaftswoche bei einer Blutung oder dem Feststellen des fehlenden Herzschlages sehr zeitnah eine Auskratzung/Curettage vereinbart. Viele Frauen sind in diesem Moment, in dem sie von dem Verlust der Schwangerschaft erfahren so unter Stress oder Schock, dass sie dem sofort zustimmen, weil sie nicht die Zeit bekommen sich mit dem Geschehen auseinander zu setzen und eine überlegte Entscheidung zu treffen. Aus medizinischer Sicht ist eine Auskratzung bis zur 11. Schwangerschaftswoche immer nur in besonderen Notfällen notwendig, z.B. wenn die Blutung übermäßig stark ist oder Gewebereste in der Gebärmutter verbleiben. 

Da dies nach der 11. Woche häufiger der Fall ist und die Blutungen meist stärker sind, sollte man die Frauen ab diesem Zeitpunkt öfter zeitnah kontrollieren um eine eventuell notwendige Curettage zu veranlassen. In Frankreich beispielsweise ist bis zur 11. Woche grundsätzlich keine Ausschabung vorgesehen nur in oben genannten Notfällen. Man kann hier ganz einfach den Gang der Natur abwarten, der Abgang erfolgt meist selbständig durch eine Blutung und bedarf keiner medizinischen Intervention.

Aus Trauma und trauertherapeutischer Sicht aber wäre es sehr wichtig den Familien diese Entscheidung nicht abzuverlangen solange sie sich noch in der ersten „Schockstarre“ befinden. 

Wenn man eine solch schwierige Diagnose erhaltet, sollte man die Frauenärztin, den Frauenarzt fragen ob sie sich wenigsten einen Tag Zeit nehmen dürfen die Entscheidung zu einem operativen Eingriff zu überdenken, sofern keine dringende medizinische Indikation dafür besteht. . Man sollte das Geschehene erst einmal „ankommen“ lassen, mit der/dem Partner/in und oder der Familie darüber sprechen ob man den natürlichen Abgang abwarten möchte oder einen Eingriff wünscht. Entscheidungen, die in einer Schockphase getroffen werden überfordern uns zumeist und manchmal ist ein „hätte ich..“ nicht mehr rückgängig zu machen. 

 Man kann sich gerne jederzeit an die Notfallseelsorge, Trauerbegleiter/in, eine vertraute Hebamme, Frauenärzt/in oder Telefonseelsorge wenden, die in solchen Momenten unterstützenkönnen.

 

Was passiert mit dem Embryo/Fötus nach einem Verlust

Bei einem frühen Verlust wird nach der Curettage der Embryo zu einer pathologischen Untersuchung nach Bozen gesandt. Wenn von den Familien nicht anders angefordert, wird er nach dieser Untersuchung im Friedhof von Bozen im Schmetterlingsgrab beigesetzt. Die Familien können jedoch die Rückführung beantragen und die Beisetzung in einem Schmetterlingsgrab in ihrer Nähe (in dieser Website an anderer Stelle angeführt) veranlassen.

Erst bei einer stillen Geburt nach der 28. Schwangerschaftswoche muss das Kind in der Gemeinde gemeldet werden und bekommt ein eigenes Grab.

Es gibt auch die Möglichkeit das Kind nach einer kleinen oder stillen Geburt mit extra dafür genähten Kleidern oder Decken vor der Beisetzung einzukleiden. Ob das möglich ist hängt hauptsächlich von der Art der Geburt und der Schwangerschaftswoche, also der Größe des Kindes ab. Im Durchschnitt ist es möglich das Baby ungefähr ab der 14.-15. Schwangerschaftswoche in eine kleine Decke zu wickeln und circa ab der 20.-21. Woche mit kleinen Kleidern einzukleiden. Betroffene Eltern sollten sich beim Personal in der Struktur, in der sie betreut werden, erkundigen, ob die Möglichkeit besteht, eine Einschlagdecke für das Sternenkind zu erhalten, sowie die Möglichkeit eine/n Sternenkinderfotograf zu kontaktieren. 

 

Quellen