Unser Engelchen: Johanna

(gestorben in der 30 SSW am schönsten Ort der Welt – in Mamis Bauch)

Ich möchte Euch die Geschichte meiner lieben Tochter Johanna erzählen.

Auch wenn meine Erfahrungen sehr persönlich undkostbar sind, möchte ich der Welt einfach sagen: Ich habe eine Tochter, die Johanna heißt und jetzt ein Engelchen ist. Tief in meinem Herzen lebt sie Tag für Tag mit mir weiter und hat mich gelehrt, die Welt mit anderen Augen zu betrachten. 
Die Freude war riesig, als ich zum zweiten Mal schwanger war. Vom 1. Tag an liebte ich mein Baby so sehr und hatte auch so ein Gefühl, dass es ein Mädchen werden könnte. Wir waren wir uns bald einig, dass es eine Johanna werden sollte. Ich freute mich total und war einfach nur glücklich. 

Doch dann, im 7. Monat meiner bisher problemlosen Schwangerschaft, ging dieser Traum plötzlich zu Ende. Wir waren gerade am Meer und ich konnte mein sonst so lebendiges Baby im Bauch plötzlich nicht mehr spüren. Ich hoffte und redete mir ein, dass es nur mal viel schlafen könnte, weil es ja noch wachsen muss. Aber auch mein Bauch kam mir so leblos vor und irgendwie auch kleiner. Jedoch konnte ich keinen Moment den Gedanken zulassen, dass mein Baby vielleicht nicht mehr leben könnte. Ich hatte ein richtig ungutes Gefühl, dass da etwas nicht stimmt, aber auch panische Angst davor, ins Krankenhaus zu gehen, auch noch in ein fremdes … Ich wusste jedoch, dass es keinen anderen Ausweg gab. Von da an, fühlte ich mich, wie in einem Film. So als spiele ich nur eine Rolle, als ob alles gar nicht wirklich passieren würde. Als ich dann der Ärztin sagte, dass ich mein Baby nicht mehr spüren kann, konnte ich an ihrer besorgten Reaktion und ihrem schnellen Handeln schon erkennen, wie ernst die Situation war. Ich bekam die totale Panik. 

Dann ging alles ganz schnell, die Ärztin suchte nach Herztönen und machte Ultraschall, schaute mich dann mit einem bedauernden Blick an und sagte: Non batte. Kein Herzschlag. Es kam mir so vor, wie wenn mir jemand den Boden unter den Füßen weggezogen hätte. Ich stand total unter Schock und fühlte mich verzweifelt und ohnmächtig. Ich konnte keinen klaren Gedanken mehr fassen, und wusste nicht mehr, was ich tun sollte, stand total neben mir. Ich fragte nur verzweifelt „warum?“ Und sie solle doch noch mal genauer nachschauen. Die Ärztin jedoch machte mir eher Vorwürfe als dass sie Verständnis zeigte und stellte mir lauter Fragen, unter anderem, warum ich nicht früher ins Krankenhaus gekommen sei. 

Wir sind dann sofort nach Hause gefahren, in „unser“ Krankenhaus. Irgendwie haben wir die 3 Stunden Autofahrt geschafft, wie, ist mir bis heute ein Rätsel. Wir standen total unter Schock und funktionierten nur noch. 
Dort wurden wir dann sehr liebevoll aufgenommen. Die ganze Zeit über kümmerten sich die Hebammen, Psychologen, Ärzte, Krankenschwestern und der Seelsorger sehr, sehr herzlich und einfühlsam um uns.
Uns wurde erklärt, dass es für mich das Beste sei, mein Baby auf natürlichem Wege auf die Welt zu bringen. Ich konnte mir jedoch nicht vorstellen, ein lebloses Baby zu gebären und überhaupt wusste ich nicht, wie ich es jetzt schaffen sollte, Kraft für eine Geburt zu finden. Ich hatte doch gerade erst erfahren, dass mein Baby tot ist und war am Boden zerstört. Heute bin ich sehr froh darüber, dass ich die Geburt meiner Tochter bewusst miterleben konnte. Ansonsten würde mir etwas fehlen.
Mein Freund durfte die Nacht bei mir im Krankenhaus verbringen, wir weinten und hielten uns fest. Es war alles so schrecklich unwirklich. Von einem Moment auf den anderen, wurde unser Leben total auf den Kopf gestellt. Alle unsere Pläne für die Zukunft, wurden mit einem Schlag vernichtet. Ich kam mir so schrecklich hilflos und ausgeliefert vor, konnte nicht mal eine Stunde voraus denken. Und ich hatte so schreckliche Angst.
Am nächsten Tag wurde dann die Geburt eingeleitet. Es ging alles relativ schnell und gut. Als unsere Johanna dann geboren war, war für mich plötzlich alles so anders. Ich kann es mit Worten nur sehr schwer beschreiben, wir erlebten einfach so wertvolle, einzigartige Momente voller unterschiedlicher Gefühle. Momente unendlicher Traurigkeit aber zugleich auch tiefer Liebe.

Ich weiß noch so genau, als wäre es gestern gewesen, als ich meine Johanna dann sah. So klein, zart und leblos. Sie tat mir so unendlich leid und wollte ihr alles Beste geben, was ich nur konnte. Ich wollte sie sofort bei mir haben, und hielt sie ganz fest im Arm und kuschelte mit ihr. Sie war so warm und weich. Und wunderschön. Alles war so perfekt an ihr. Ein richtiges Baby. Nur etwas klein halt, aber alles war schon fertig entwickelt. Ich schaute sie einfach nur an, bewunderte sie. Und redete mit ihr, küsste sie … Ich liebte sie vom ersten Moment an und konnte eine ganz starke Verbindung spüren, die ich auch heute noch spüren kann. Ob mein Baby lebte oder nicht, machte für mich in diesem Moment keinen Unterschied. Es war mein Baby, meine Johanna. Ich wünschte mir, die Zeit anzuhalten, damit diese Augenblicke nie vergehen würden. Es lag eine ganz besondere Stimmung im Raum, heilig und voller Liebe. Zu diesem Zeitpunkt war sie einfach ganz fest unter uns, das konnten wir richtig spüren. 
Die Hebamme hat Johanna dann sachte gewaschen, sie gewogen und abgemessen. Wir haben auch Hand- und Fußabdrücke von ihr gemacht. Anschließend hab ich sie angezogen und in eine Decke gewickelt. Wir ließen uns diese Sachen von zu Hause bringen, ich hatte ja schon ein paar Babysachen vorbereitet gehabt. Wir wurden dann wieder in unser Zimmer gebracht und unser damals 5-jähriger Sohn kam zu uns, um sein Schwesterchen kennenzulernen. Wir alle waren sehr traurig, durften aber auch ganz besondere Momente zu viert verbringen.
Wir machten auch viele Erinnerungsfotos, über die ich heute sehr, sehr froh bin. Der Seelsorger machte dann mit uns eine kleine, sehr schöne und würdevolle Abschiedsfeier für unsere Johanna.

Später kamen auch unsere Familie und enge Freunde, unsere Johanna kennenzulernen und sich gleichzeitig von ihr zu verabschieden. Für mich sind diese innigen Augenblicke mit unserer Johanna immer noch so heilig und ich werde sie ewig in Erinnerung tragen, tief in meinem Herzen. Diese einzige, kurze Zeit mit unserer Johanna zählt zu der allerschönsten und kostbarsten Zeit meines Lebens.
Wir verbrachten den ganzen Tag mit unserer Johanna im Zimmer, am Abend wurde sie dann runter in die Leichenkapelle gebracht. Ich bereue es bis heute, dass ich sie nicht auch noch die Nacht bei mir behalten habe. Jedoch meinten die Krankenschwestern und der Seelsorger, es sei besser so, ich muss loslassen, und das wäre jetzt der erste Schritt. Die Vorstellung, dass mein Baby ganz allein unten in der Leichenkapelle lag, war für mich fast unerträglich. Aber die gesamte Situation war unerträglich und ich tat einfach alles, was andere mir sagten, ich selbst konnte ja keinen klaren Gedanken mehr fassen. 
Dann legten wir unsere Johanna liebevoll in ein Neugeborenenbettchen und gaben ihr ein paar Kuscheltiere dazu, die unser Sohn mitgebracht hatte. Dann wurde sie in die Leichenkapelle gebracht. 

Am Tag der Beerdigung legten wir unsere Johanna selbst in das kleine Särglein. Viele Briefe, Zeichnungen, Engelchen und Kuscheltiere gaben wir ihr mit. Da mussten wir uns nun endgültig von ihr verabschieden, es tat schrecklich weh, und wir waren unendlich traurig. Ich hielt sie noch ein letztes Mal ganz fest in meinen Armen und sagte ihr, wie lieb ich sie habe. Da fühlte ich auch, dass sie jetzt gegangen war. 
Nach der wunderschönen und rührenden Beerdigung fiel ich in ein ganz tiefes Loch. Ich wollte und konnte lange einfach nicht akzeptieren, was passiert war. 
Es war sehr schwer für mich, dieses Schicksal anzunehmen und meine Johanna loszulassen. Mir kam es so vor, als hätte mir jemand das Herz herausgerissen. Wie wenn ich jetzt einen großen Stein in meiner Brust hätte, es tat alles so furchtbar weh. Und ich fühlte mich einfach nur leer und machte mir Vorwürfe. Es war wirklich ein sehr harter, steiniger und anstrengender Weg für mich. In der tiefen Trauer konnte ich aber auch sehr oft eine ganz starke Liebe und Verbindung zu meiner Tochter fühlen, so als wäre sie ganz nah bei mir. Und das war sie auch, sie hat mich getröstet, und mich spüren lassen, dass es ihr gut geht. Sie hat mir ganz viel Kraft geschickt, nicht total zu zerbrechen und weiterzuleben. Es war ein ständiges Auf und Ab.

„… Wenn du bei Nacht den Himmel anschaust, wird es dir sein, als lachten alle Sterne, weil ich auf einem von ihnen wohne, weil ich auf einem von ihnen lache. Du allein wirst Sterne haben, die lachen können. Und wenn du dich getröstet hast (man tröstet sich immer), wirst du froh sein, mich gekannt zu haben …“ … und ja, der kleine Prinz hatte Recht, heute bin ich wirklich sehr froh, meine Johanna kennengelernt zu haben, sie hat mir so viel gezeigt und beigebracht. Dafür bin ich ihr sehr dankbar.

Ein gesundes Kind ist ein Wunder. Ich bin so glücklich, dass ich dieses Wunder noch einmal erleben durfte, Johanna hat uns nämlich noch ein Brüderchen geschickt. Ich bin jetzt stolze Mutter von zwei Jungs und meiner Johanna im Herzen. Ich bin mir sicher, dass sie immer ganz gut auf uns aufpassen wird. Ich weiß auch, dass die starke Verbindung und Liebe zu ihr immer bleiben werden und dass ich sie irgendwann wiedersehen werde, und wir dann alles nachholen können.

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Ich liebe dich bis zum Mond und zurück!